Die schreibenden Brüder Melech Ravitch und Herz Bergner hatten eine schreibende Mutter, die jiddische Schriftstellerin Hinde Bergner, 1870 in Radymno geboren, wo auch die Söhne zur Welt kamen. Sie sprach Jiddisch, Polnisch und Deutsch.
Ihre Söhne baten sie, die Erinnerungen an ihr Shtetl Radymno aufzuschreiben. Sie wussten von der schriftstellerischen Begabung ihrer Mutter. So entstand das Buch „In den langen Winternächten“.
1939 wurde das Shtetl von den Nazis überfallen, die Söhne lebten bereits woanders, Hinde konnte fliehen. 1942 hörten die Brüder noch einmal von ihr aus der Nähe von Lemberg, danach nie wieder. Nach Gilles Rozier*) soll sie in Belzec vergast worden sein, nicht weit von Radymno entfernt. Er schreibt auch, daß nur zwei von der fast halben Million, die nach Belzec gebracht wurden, überlebten.
Isaac Bashevish Singer im Geleitwort zu Hinde Bergners Buch:
„Was ich hier schreibe, ist nicht einfach eine Vorrede, sondern ein Liebesbrief an die Schriftstellerin Hinde Bergner, die die Nazi-Schurken 1942 oder 1943 umgebracht haben. Als ich zum ersten Mal ‚In den langen Winternächten‘ durchgelesen habe, […] erfasste mich eine seltsame Liebe zu Hinde Bergner, ihrem einzigartigen Stil, ihrem reichen Jiddisch und ihrem tief menschlichen, tief weiblichen und tief jüdischen Blick auf Mensch, Welt und Gott. Generationen jüdischer Frauen sprechen aus diesem Buch, von dem es der Schriftstellerin nur mehr gelang, einige Kapitel fertigzustellen. Ich höre nicht auf zu bedauern, daß sie das Werk nicht abgeschlossen hat. Das aber, was nach ihr geblieben ist, zeugt davon, das in dieser Frau ein großes Prosa-Talent vorhanden war, ein Talent und eine Lieblichkeit, die sie an ihre hochtalentierten Söhne […] weitergegeben hat. In einer Sprache, die unter der Feder lebt und bebt. Wie jede wahre Kunst ist dieses Buch reich an Informationen an allerhand Einzelheiten über das jüdische Shtetl in Ostgalizien.“
Ein weiteres Vorwort stammt von den Söhnen aus Kanada u Australien, die das Buch 1946 im jiddischen Original herausgaben.
Armin Eidherr vom Otto Müller Verlag Jiddische Bibliothek übersetzte es ins Deutsche. Das sei wegen der unbekannten galizischen Wörter, die in keinem Wörterbuch zu finden seien, eine Herausforderung gewesen. Er bediente sich deshalb der hebräischen Übersetzung von Ahari Aharoni (Tel Aviv 1982), dem das gelang, und ohne die Eidherr eine Übersetzung ins Deutsche wohl nicht möglich gewesen wäre.
Die Cover malte Ravitchs Sohn Yosl Bergner.
Das Traurige an dem Buch, es hört mitten im Satz auf. Es hört mitten im Satz auf, weil Hinde Bergner ermordet wurde.
In di lange winternecht. Deutsche Ausgabe.
Die jiddische Ausgabe wurde von Hinde Bergners Söhnen Mosche Harari (1892–1921), Melech Rawitch (1893–1976) und Herz Bergner (1907–1970) 1946 in Montréal herausgegeben.
Portrait aus Hinde Bergners o.g. Buch.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.